Orff empfand den Unterricht an der Akademie der Tonkunst (1912-1914) als zu konservativ. Im Selbststudium setzte er sich intensiv mit der Harmonielehre und den Werken Schönbergs sowie mit der Musik Debussys auseinander. Vor allem die Klangsprache Debussys regte ihn zu seinem ersten Bühnenwerk an: ›Gisei‹, ein Musikdrama op. 20 (1913) auf einen selbstverfassten Text frei nach dem japanischen No-Drama Terakoya.
Bis 1914 beteiligte er sich an den wichtigsten Strömungen der musikalischen Avantgarde, wie etwa das Orchesterspiel ›Tanzende Faune‹ oder das bis auf wenige Skizzen vernichtete Traumspiel ›Treibhauslieder‹ nach Gedichten von M. Maeterlinck belegen.
Unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs erkannte Orff die eingeschlagene Richtung als Irrweg und wandte sich radikal davon ab. Alles drängte ihn zum Theater.
»Die Aufnahmeprüfung in die Akademie der Tonkunst (in München)[...]brachte keine Probleme[...]. Ich kam dann in die Kompositionsklasse von Professor Anton Beer-Walbrunn.« Er »war ein sehr bemühter und ungemein liebenswerter Lehrer, eine Spitzweg-Figur mit viel Selbstironie, ein Meister alter Schule mit großem Können und Wissen.«[1] (erster Brief von Orff vom 12.10.1911 mit Bitte um Drucklegung ›Eliland‹, op.12, an den Schott-Verlag)
»Meine Entdeckung des ›Blauen Reiters‹, [...]dieses einzigartige(n) Manifest(es) neuer Kunst, war für mich von fast ebenso großer Bedeutung wie die Entdeckung Debussys.«[3] (Carl Orff 1919)
»Der konventionelle Kontrapunkt, die Sonaten- und Fugenkompositionen nach schulischen Mustern schienen mir völliger Leerlauf.[...] Lehrplan und Unterricht lagen so weit ab von meinen musikalischen Vorstellung und Absichten, daß ich nicht daran denken konnte, für meine Arbeit und mein Anliegen verständnisvolle Hilfe zu gewinnen.«[4] (autographe Partiturseite ›Gisei‹, op.20)
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[1] CO-Dok I,44; [2] CO-Dok I,57; [3] CO-Dok I,51; [4] CO-Dok I,45
Abb.: 1 aus: »Carl Orff – Ein Bericht in Wort und Bild« Schott-Verlag, Mainz 1955; 2-3 OZM; 4 CO-Dok I,112
Audio: WER 6279-2